Hier findet ihr Berichte von Erfahrungen, die Menschen auf dem a*spec im Gesundheitsbereich erlebt haben.
Die Erfahrungen wurden während der AceWeek 2023 und der AroWeek 2024 auf dem
Aspec*German Discord-Server gesammelt. Für die hier veröffentlichten Berichte haben wir die Zustimmung der
verfassenden Personen bekommen.
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anonym (w, mitte 20) aroPsychotherapie/Beratungnegativ
Ich hatte ein negatives Erlebnis bei einer Psychotherapie. Das ist jetzt auch schon einige Jahre her und
damals wusste ich noch nichts vom A*spec. Es war noch recht zu Beginn der Therapie und die Therapeutin wollte,
dass ich einen Zeitstrahl mit wichtigen Ereignissen meines Lebens erstellte. Das machte ich bis zur nächsten
Stunde. Wir setzten uns hin und sie sah sich den Zeitstrahl durch. Dann sagte sie inhaltlich sowas wie: „Der
sieht ja ganz schön aus, aber mir fehlt da ein Freund [gemeint war ein romantischer, vielleicht auch sexueller
Partner]“ Ihr fehlte ein Freund? Mich verunsicherte das sehr. Ich war damals etwa 19 und hatte noch nie eine
romantische Beziehung gehabt. Bis zu dem Zeitpunkt fand ich das nicht schlimm. Mit fehlte das nicht, denn ich
hatte kein Bedürfnis danach. Doch durch die Aussage der Therapeutin fühlte ich mich plötzlich nicht mehr
„normal“ [sic]. Scheinbar war eine romantische Beziehung etwas, was eine 19-Jährige schon erlebt haben musste.
Diese Therapeutin hat viel Verunsicherung verursacht und war der Grund, warum ich mich von da an beschwerte
keine Beziehung zu haben und wie sehr ich doch eine wollte. Das hielt an, bis ich Aromantik als mein Label
fand. Diese Phase war von viel Unzufriedenheit begleitet. Ich fühlte mich, als hinge ich hinterher. Damals
hatte ich nicht die Worte und das Wissen, um für mich einstehen zu können.
Lena (w, 32) acenegativPsychotherapie/Beratung
Diese Erfahrung wurde in Deutschland gemacht.
Ich habe keine Depression, aber irgendwie muss man so einen Depressionsfragebogen ausfüllen, wenn man eine Therapie beginnt.
Dort wird unter anderem gefragt, ob die sexuelle Anziehung nachgelassen habe.
Ich stand dann verwirrt bei der Psychotherapeutin und habe gefragt, ob ich denn „ja“ oder „nein“ ankreuzen muss, wenn das schon
immer kaum vorhanden war und immer noch kaum vorhanden ist.
Sie meinte einfach nur, dass ich in dem Fall nein ankreuzen soll, weil es um Veränderung geht und hat das Thema dann gar
nicht weiter thematisiert.
Damals kannte ich das Thema Asexualität noch gar nicht und wusste nicht, dass ich asexuell bin. Ich habe lediglich die
Formulierung im Fragebogen als ungeschickt empfunden. (Aber ich habe damals auch noch andere Fragebogen ausgefüllt und
fand manche Fragen dort auch schlecht formuliert, insofern passte das ins Bild.)
Zur Eindordnung des Textes: Lena ist neurodivergent und hat eine chronische Autoimmunerkrankung.
Lena (w, 32) aceGynäkologInnegativCN: gyn. Untersuchung
Ich gehe sehr selten zur Vorsorge, aber eher, weil ich es aufschiebe und nicht als Vermeidungsstrategie.
Ich war einmal mit 16 und dann erst wieder mit 29.
Mit 29 gab es eine Situation, die etwas ungeschickt war:
Sie fragte mich, ob ich die Pille nehme. Ich verneinte. Sie fragte mit erstauntem Blick, ob ich dann mit
Kondom verhüte. Ich verneinte. Sie fragte, ob ich schwanger werden wolle. Ich verneinte. Dann andere
Verhütungsformen wie Spirale oder Kette. Ich verneinte.
Sie schaute mich an wie ein Auto.
An Verhüten durch kein Sex haben hat sie gar nicht gedacht.
Anschließend hat sie noch gefragt, ob ich schonmal Sex hatte. Das war weil sie dann bei der Vaginaluntersuchung mehr aufpassen musste.
Am Ende sagte sie noch, dass wenn ich kein aktives Sexleben habe, eine Vorsorge alle 2 Jahre reicht.
2,5 Jahre später war ich nochmal da und, weil ich gerade versuche mit 30+ noch die HPV-Impfung zu bekommen,
musste leider ein paar Details zu meinen Sexerfahrungen herausrücken.
Es war mir sehr unangenehm, weil ich eben auch die ganzen Fachwörter für die Dinge, die ich nicht gemacht habe, nicht kannte.
Darüber hinaus hat sie aber nicht wirklich einen Kommentar dazu gemacht.
Zur Eindordnung des Textes: Lena ist neurodivergent und hat eine chronische Autoimmunerkrankung.
Giselle (nichtbinär, im Gesundheitskontext <Mann>, 22) aceAllgemeinneutral/gemischt
Ich war vor so 2 Jahren beim Arzt, um meine Hepatitis-Impfungen zu aktualisieren.
Da sind wir dann den Impfpass durchgegangen und haben gesehen, dass ich keine Gebärmutterhalskrebs-Impfung hatte.
Ich fragte also, ob ich die bräuchte, da ich ja keine Gebärmutter habe.
Die Antwort war, dass es nützlich ist, da ich, wenn ich Sex haben würde, das weitergeben könnte.
Auf meine Antwort "Keine Sorge, ich bin asexuell und nicht an Sex interessiert" kamen keine Rückfragen und
ich habe dann nur die anderen Impfungen bekommen.
Stella (agender, weiblich gelesen, 22) acearoPsychotherapie/BeratungnegativCN: GaslightingCN: Pathologisierung
Ich fühle mich nicht wohl, mich im Gesundheitsbereich zu outen und inzwischen lüge ich auch wenn notwendig einfach um unangenehme Situationen zu meiden. Ich bin seit ich 15 Jahre alt bin (inzwischen bin ich 22) immer wieder in klinisch-psychologischer
Behandlung und habe mich in dem Kontext schon mehrmals geoutet und ich wurde jedes einzelne Mal pathologisiert. Ich habe eine
dissoziative Erkrankung und eine Persönlichkeitsstörung, was denke ich erheblich zur Pathologisierung meiner Asexualität beigetragen
hat.
Beispiel 1: Ich war einmal bei einer neuen Therapeutin und habe ihr in der ersten Einheit versucht, einen generellen Überblick
über meine Probleme/Symptomatiken zu verschaffen. In der zweiten Einheit hat sie daraufhin mehrere Fragen gestellt, die speziell
darauf abgezielt haben, wie ich Beziehungen eingehe und wie ich über Beziehungen zu Anderen nachdenke usw.. Ich habe gerne darüber
gesprochen weil es ein Thema war das mich beschäftigt (einerseits weil ich persönlichkeitsgestört bin, andererseits weil ich
asexuell bin). Sie hat dann gemerkt dass ich nicht darüber spreche eine romantische und/oder sexuelle Beziehung zu wollen / zu brauchen / zu haben und direkt gefragt, ob ich denn nicht einen Freund will (also gemeint war eine sexuelle und romantische heteronormative
Beziehung). Das habe ich dann verneint und gesagt, dass ich kein Interesse daran habe und ich mich damit wohlfühle, eine solche
Beziehung nicht zu haben und ich mich auch damit wohlfühle, kein Interesse daran zu haben. Daraufhin hat sie ehrlich einfach das
DSM-5 ausgepackt und alle Symptome von der schizoiden Persönlichkeitsstörung nacheinander vorgelesen. – Ein „Symptom“ ist, dass
man wenig bis kein Interesse an „sexuellem Kontakt/Interaktionen/Beziehungen“ hat. Das ist ernsthaft das einzige „Symptom“ gewesen,
in dem ich mich wiedererkennen konnte, die restlichen Symptome habe ich nicht. Nach ihrer „Lesung“ hat sie mich angeschaut und
gefragt, ob ich mich wiedererkennen würde – was ich verneint habe. Als Antwort hat sie mir gesagt, dass ich diese Erkrankung aber
hätte und es normal ist bei einer Persönlichkeitsstörung die eigenen Symptome nicht als solche zu erkennen. Dann hat sie gemeint,
dass sie mich außerdem nicht behandeln kann, weil sie Menschen mit meiner Persönlichkeitsstörung nicht behandelt (ich habe bevor
ich einen Termin bei ihr ausgemacht habe meine vorherigen Diagnosen – alles unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen – erwähnt).
Beispiel 2: Ich war vor einer Weile (mit 20 Jahren ungefähr) in stationärer Behandlung in einer Klinik. Mein behandelnder Therapeut
war auch mein Psychiater. Beim allerersten Treffen habe ich von meinen vorherigen Diagnosen berichtet
(Cluster A und B Diagnosen )
und dann fast ausschließlich von Symptomen
meiner dissoziativen Erkrankung (dpdr) erzählt.
Weil er mir sehr viele persönliche Fragen gestellt hat (was ja normal ist in Therapie), bin ich automatisch in eine Art
Abwehrhaltung gegangen und habe angefangen Fragen zurückzustellen und bin nicht mehr auf das eingegangen, was gesagt wurde,
was ich – denke ich – gerne mal wegen meiner Persönlichkeitsstörung mache. Er dachte dann aus für mich unerfindlichen Gründen,
dass ich mit ihm flirten würde und hat mir unterstellt zu versuchen mit meiner Kleidung „aufreizend“ auf ihn und andere Männer
wirken zu wollen. Ich weiß dass aufmerksamkeitssuchendes Verhalten bei Persönlichkeitsstörungen ein Symptom sein kann – nur habe
ich halt dieses Symptom nicht. Er hat dann außerdem gemeint, dass ich sicher „promiskuitiv“ wäre und dass das aber okay wäre, in
dem therapeutischen Kontext mit ihm darüber zu sprechen und dass das sehr häufig bei Persönlichkeitsstörungen der Fall ist. Ich
habe mich dann als asexuell geoutet weil mir das alles echt zu blöd wurde und habe dann direkt angesprochen, dass seine Vermutungen
meiner Meinung nach frauenfeindlich sind. Er hat mir nicht geglaubt dass ich asexuell bin und im Verlaufe der Therapie hat er mir
versucht einzureden, dass ich eine andere queere sexuelle Orientierung „unterdrücken“ oder ablehnen würde (z. B. bisexuell). Er hat mir
außerdem „mitfühlend“ gesagt dass es sicher „schwer sein muss“ keine sexuelle Anziehung zu empfinden und er aber sicher ist, dass wir
gemeinsam daran etwas ändern könnten, obwohl ich nie danach gefragt habe. Er hat mir sogar angeboten Medikamente auszuprobieren die mir
„helfen“ könnten. Zu dem Zeitpunkt damals war ich noch nicht so gefestigt in meiner Identität als asexuell wie ich es heute bin (obwohl
ich damals auch schon geoutet war) und habe wirklich angefangen zu glauben, dass meine sexuelle Orientierung eine Erkrankung ist oder
ein Symptom von meiner Persönlichkeitstsörung und ich deshalb behandelt und geheilt werden muss. Trotzdem bin ich auf seine
„Behandlungsvorschläge“ und auch Therapiegespräche die mir „helfen“ sollten meine Asexualität loszuwerden nicht wirklich eingegangen,
weil ich viele meiner Symptome als nicht behandlungsbedürftig erachte (Beispiel: ich empfinde keine affektive Empathie) und ich habe
meine sexuelle Orientierung als ein weiteres Persönlichkeitsstörungssymptom interpretiert das eigentlich behandelt gehört, aber ich
es einfach nicht will.
Wegen dieser und vieler anderer Therapieerfahrungen in denen meine Realität geleugnet, mir meine Lebenserfahrungen nicht geglaubt
wurden und mir jede Form von Autorität darüber, wie eine Behandlung, die mir hilft, auszusehen hat, abgesprochen wurde, war ich
lange nicht in der Lage mich selbst so zu akzeptieren wie ich bin; es hat mir meinen Selbstwert genommen und es war mir in mehreren
Situationen nicht möglich meine Grenzen interpersonell mit anderen so zu setzen, wie es für mich richtig ist, weil ich durch diesen
Therapeuten überzeugt war krank und „heilungsbedürftig“ zu sein.
Heute kann ich mich so akzeptieren wie ich bin – trotz jahrelanger Therapie, weil mein engstes Umfeld mich so akzeptiert und schätzt
wie ich bin! Mein Wunsch an das Gesundheitssystem ist zu erkennen, dass ich trotz Persönlichkeitsstörung immer die Person bin, die
am besten weiß wer ich bin und was ich brauche, und es als behandelnde*r Psychiater*in oder Therapeut*in wirklich ernsthaft
grenzüberschreitend ist anzunehmen besser zu wissen was ich fühle, was mich ausmacht und was mir gut tut.
Wunsch von Stella an den klinisch-psychologischen Bereichs des Gesundheitssystems
Mein Wunsch an den klinisch-psychologischen Bereichs des
Gesundheitssystems ist es, wahrzunehmen, dass nicht jede Andersartigkeit, die ich als persönlichkeitsgestörte Person
direkt wegen meiner Persönlichkeitsstörung habe, behandelt werden „muss/sollte“. Viele Charakterzüge/Symptome,
die ich wegen meiner Persönlichkeitsstörung habe, sind zwar gesellschaftlich negativ gewertet, führen aber weder
bei mir selbst noch in meinem Umfeld zu Leid. (Außer, dass ich eventuell missverstanden werde oder sozial ausgegrenzt –
was nur passiert, weil meine Andersartigkeit nicht von meinem Umfeld akzeptiert/verstanden wird).
Ein wirklich gutes
Beispiel dafür ist meine Empathielosigkeit. Wenn eine andere Person (egal wie nahe ich ihr stehe) weint / lacht / frustriert
ist / sonst irgendeine Emotion hat, färbt das nicht auf mich ab. Ich freue mich nicht nur, weil sich jemand anderes
freut und ich werde auch nicht traurig, nur weil ein*e Freund*in weint. Ich habe nie affektive Empathie entwickeln können,
weil ich als Kind keine Empathie erfahren habe. Letztendlich sehe ich das aber als einen positiven Charakterzug weil ich es
mir extrem anstrengend vorstelle ständig die Emotionen von anderen zu spiegeln und meine Freunde haben mir auch schon
oft mitgeteilt dass sie es als
angenehm empfinden mit mir über ihre Probleme zu sprechen, weil ich für sie da bin
ohne groß emotional „mitzuschwingen“.
Ich sehe meine eigene Persönlichkeitsstörung als eine Art
Störung meiner Entwicklung durch Traumata. Meine „Entwicklungsabweichungen“, die ich durch meine Traumata erfahren
habe, sind aber oft einfach nur anders und nicht negativ. Und selbst die Interaktionsmuster und Charakterzüge, die ich
habe, die mir und meinem Umfeld schaden, müssen nicht komplett verändert werden, damit es mir und meinem Umfeld
besser geht. Beispielsweise habe ich lange gebraucht, um empathievoll zu handeln, ohne Empathie zu empfinden. Ich musste
nie Empathie „lernen“, um einen positiveren Umgang mit Anderen zu finden. Also wenn eine Person beispielsweise wirklich
schizoid ist (was in meinem Fall ja eine Fehldiagnose war) und deshalb kein Interesse an einer sexuellen Beziehung hat und
der einzige Leidensdruck der hier entsteht ist, dass die Person Schwierigkeiten dabei hat romantische Beziehungen einzugehen
oder von ihrem Umfeld als unnormal / weniger menschlich wahrgenommen wird, dann ist das zwar ein Charakterzug den diese
Person wegen ihrer traumatischen Vergangenheit und daraus resultierenden schizoiden Persönlichkeitsstörung hat,
aber es muss nicht verändert/behandelt werden. Ich finde es so wichtig Menschen wie mich, die
persönlichkeitsgestört sind, nicht in gesellschaftliche Normen zu zwingen, unabhängig davon ob diese
Normabweichung durch unsere Persönlichkeitsstörung ausgelöst wird.
Zur Eindordnung des Textes: Stella ist ein Mensch mit Persönlichkeitsstörung.
Marlena (w, 28) acearoGynäkologInnegativCN: Krebs
Meine Erfahrungen mit Gynäkolog*innen sind hauptsächlich von Vermeidung geprägt (ich glaube, ich war in
den 15 Jahren oder so, in denen ich solche Termine hätte wahrnehmen können, vielleicht so drei oder vier
mal bei einer Gynäkologin, schiebe das jeweils nächste Check-up immer jahrelang vor mir her, beschränke
meine Antworten bei Anamnesegesprächen auf das absolute Minimum und vermeide jegliche Aussage zu meiner
sexuellen Orientierung und Aktivität). Auf diese Weise habe ich bei solchen Leuten (bisher) auch
Diskriminierungserfahrungen vermieden; zum Glück habe ich keine gynäkologischen Probleme, die häufige
Besuche erforderlich machen würden. Ich habe nur immer sehr viel Schiss, dass ich durch unterlassene
Vorsorge irgendwelche Krankheiten nicht rechtzeitig bemerke, gerade auch weil ich genetisch/familiär
vorbelastet bin, was Brustkrebs angeht. Das ist so ein ständiger scheiß Konflikt.
Zur Eindordnung des Textes: Marlena ist neurodivergent und chronisch psychisch krank/behindert.
Marlena (w, 28) acearoPsychotherapie/BeratungnegativCN: PathologisierungCN: PTBS Innensicht
Meine schlechtesten Erfahrungen habe ich mit Psycholog*innen und Berater*innen gemacht.
Bei meiner aktuellen Therapeutin gab es zum Glück nur am Anfang Stress, weil sie der Überzeugung war, sie habe mehr
Ahnung von Asexualität als ich. Auf mein Coming-out ihr gegenüber hin waren die ersten zwei Sätze erstmal vielversprechend
(sie hätte bereits drei asexuelle Patientinnen gehabt und auch eine ihrer Freundinnen sei asexuell), aber dann hat sie
direkt Fragen zu meiner Libido und sexueller Erregbarkeit gestellt (was ich bereits sehr uncool fand, aber beantwortet habe)
und wollte mir dann weismachen, dass asexuelle Menschen prinzipiell keine Libido hätten – das hätten sie kürzlich
bei ihrem Qualitätszirkel auch so gesagt. Ich musste mehrfach und wirklich fest sagen, wie es eigentlich ist, dass sie
mir glauben kann, und habe dann auch aus dem Kopf den Ace Community Survey zitiert, und das fand sie dann erstmal überzeugend.
Danach war das Thema zum Glück erstmal vom Tisch, ich habe ihr auch auf ihre Nachfrage noch weitere Quellen geschickt, von
denen ich nicht weiß, ob sie sie gelesen hat. In der weiteren Therapie kam das Thema auch nicht nochmal auf. Ich hoffe, sie
hat zumindest die eine Info, in der alle falsch lagen, dann auch noch irgendwann mal bei einer Sitzung ihres Qualitätszirkels
aufgeworfen.
In der Therapie davor wurde mir unterstellt, dass meine aroace Identität etwas damit zu tun haben könnte, dass ich bei manchen
Menschen Angst davor habe, mit ihnen zu reden.
In der Therapie noch davor habe ich nur allgemein gesagt, dass ich queer bin, was zu keinen relevanten Problemen
geführt hat.
Und in der Therapie noch davor habe ich es selbst noch nicht gewusst. Ich weiß nur noch, dass meine Therapeutin es als super
toll und Fortschritt empfand, dass ich während der Therapie eine Beziehung begonnen habe (die mir im Endeffekt aber auch sehr
geschadet hat und auch meine Selbsterkenntnis als aroace Mensch mega verzögert hat).
Die schlechtesten Begegnungen haben mit zwei verschiedenen Beraterinnen stattgefunden (die eine an einer Fachberatungsstelle,
die andere mit Ehrenamtsqualifikation, denke ich). Das war etwa ein halbes Jahr, nachdem die vorhin kurz erwähnte, mehrjährige,
heteronormative Beziehung zu Ende gegangen war. Während der Beziehung hatte ich allmählich herausgefunden, dass ich ace bin,
hatte dann irgendwann Sex abgelehnt, und dann ging sie auch irgendwann zu Ende, wobei da auch noch andere Faktoren eine Rolle
gespielt hatten. Ein halbes Jahr nach dem Ende der Beziehung begonn ich akute PTBS-Symptomatiken zu entwickeln. Ich
hatte massive Schlafprobleme, sehr hohe Anspannung, ein breites Spektrum an psychosomatischen Symptomen (Schmerzen – Bauchschmerzen,
Rückenschmerzen, Hautschmerzen am ganzen Körper, Kopfschmerzen; Übelkeit und Übergeben; ständige Atemwegsinfekte), ich bin
immer wieder in die Erinnerungen an sexuelle Situationen aus der Beziehung „reingefallen“; ich hatte massiven Ekel vor meinem
ganzen Körper; viel Angst vor anderen Menschen, konnte nur noch mit ganz von Kleidung bedecktem Körper inkl. Kopf- und
Halsbedeckung in die Öffentlichkeit (ich habe keinen muslimischen Background und habe mich mit der de facto Religiösen/Kulturellen Aneignung ständig scheiße gefühlt, aber ich habe mehr oder weniger Hijab getragen); dazu habe ich natürlich auch Schübe
meiner chronischen psychischen Krankheiten bekommen und Probleme mit psychisch bedingten Verhaltensweisen, mit denen ich lange
keine Probleme mehr gehabt hatte.
Damals war ich nicht in Therapie. Ich hatte bereits eigene Erfahrungen mit PTBS, war aber mit dem plötzlichen, krassen Ausmaß
der Symptomatik vollkommen überfordert und habe dann irgendwann versucht, irgendwas an Hilfe für mich zu organisieren. Ich
habe irgendwann dann bei der Telefonseelsorge angerufen. Die Telefonnummer konnte ich ja aus Gründen eh auswendig. Dort war es
scheiße. Ich kann mich noch erinnern, dass ich zuerst total erleichtert war, anonym mit jemensch reden zu können und geweint
habe. Die Person hat aber nix verstanden. Sie hat mich gefragt, ob ich in der Beziehung denn vergewaltigt wurde. Ich habe nein
gesagt. Damit war es für sie quasi erledigt. Ich kann mich nur noch erinnern, dass meine Erleichterung schnell vorbei war, und
dass es mir schlecht ging, aber ich weiß sonst nichts mehr. Dann habe ich eine E-Mail an die Wildwasser-Beratungsstelle in meiner
Stadt geschrieben. Ich habe lange geschrieben. Ich habe viel überlegt und viel erklärt. Ich habe eine Antwort per E-Mail bekommen,
in der eine Person damit Verständnis geäußert hat, dass mein questioning anstrengend sei und wenn ich Fragen zur sexuellen
Orientierung hätte, könnte ich bei der queeren Jugend- und junge-Erwachsenen-Beratungsstelle in der Stadt mal nachfragen. Das
war’s dann. Ich hatte sogar noch erwogen, die anzuschreiben, aber ich wusste, dass ich dort falsch wäre. Asexualität war ja
nicht mein Problem, auch questioning nicht. (Ich war zwar zu dem Zeitpunkt noch questioning, aber eigentlich schon recht sicher
(u. a. meine Selbsterkenntnis als ace hatte ja auch mit zu dem Ende der Beziehung geführt).) Ich bin mir heute recht sicher,
dass diese Erfahrungen das Trauma noch verschlimmert haben.
Ich habe seitdem dann diesbezüglich nur noch in der aspec-Community Support gesucht. Ich bin auf Aspec*German auf Menschen
getroffen, die mich direkt verstanden haben und sogar auf ein, zwei, Leute, die ähnliches erlebt hatten und ähnliche Symptome
hatten. Ich habe Verständnis und Mitgefühl und Akzeptanz bekommen. Heute geht es mir besser damit und mir bleiben nur noch ein
paar Trigger und der Rest der Symptomatik ist mehr oder weniger irgendwann abgeflacht und/oder mit der meiner chronischen PTBS
zusammengeflossen. Vor allem fühle ich mich nicht mehr hilflos. Ich habe all das gerade zum ersten mal alles zusammenschreiben
können und merke, dass ich damit gerade vielleicht auch eine neue „Stufe“ der Verarbeitung genommen habe. Es fühlt sich gerade
rund an. Das tut gut.
Wunsch von Marlena das Gesundheitssystem
Ich wünsche mir von dem Gesundheitssystem mitsamt den darin tätigen Menschen, dass es uns zuhört und uns
ernst nimmt. Dass es uns in unserer Expertise wahrnimmt und anerkennt. Dass es unsere persönliche Grenzen nicht überschreitet
(insbesondere nicht mit intrusiven Fragen, die für die Anamnese eigentlich nicht relevant sind). Ich wünsche mir, dass insb.
Psychotherapeut*innen und Gynäkolog*innen sich zum asexuellen (und aromantischen) Spektrum selbstständig informieren und
weiterbilden (und nicht ihre Patient*innen dazu ausfragen, anstatt die Zeit für Therapie zu nutzen, was mir bei der einen
Therapeutin auch dreimal hintereinander für 50 min passiert ist). Ich wünsche mir auch, dass HSDD, eine Diagnose, die quasi Asexualität
entspricht und uns damit pathologisiert, aus dem ICD herausgenommen wird und im ICD-12 nicht mehr Teil davon sein wird. Im DSM-5
gibt es da bereits eine Kompromisslösung, hier wünsche ich mir für den DSM-6 weitere Fortschritte, spezifisch sollte vor jeder
Diagnose von HSDD über Asexualität aufgeklärt werden und Patient*innen Kontakt und Beratung durch die ace-Community ermöglicht
werden.
Zur Eindordnung des Textes: Marlena ist neurodivergent und chronisch psychisch krank/behindert.
Delfin (agender, oft weiblich gelesen, 26) acearoPsychotherapie/BeratungnegativCN: Pathologisierung
Mein allererstes Gespräch mit einer therapierenden Person sollte eigentlich zu meiner Depression sein. Als ich auf die
Frage nach einer Partner*innenschaft wahrheitsgemäß mit „kein Interesse“ geantwortet hab, musste ich mich quasi outen
um zu erklären, wieso. Darauf hat sich die Person dann eingeschossen und wollte in künftigen Sitzungen den Grund dafür
finden, warum ich so bin, weil das könne ja nicht sein, dass mir Sex und Beziehungen nichts geben würden. Da bin ich
nie wieder hin. Das war mein allererstes Therapiegespräch, es war sehr schwer diesen Platz überhaupt zu bekommen, weil
hier absoluter Therapieplatzmangel ist.
Eine andere Person hat mein Outing als aroace hingenommen und nie kommentiert. Keine Ahnung was das letztendlich zu
bedeuten hatte. Da war das Problem, dass sich nichtbinär/agender feindlich/diskriminierend geäußert wurde und sich auf
mein Geburtsgeschlecht versteift wurde. Die Erfahrungen haben mich misstrauisch gemacht (zusammen mit anderen) und ich
fühle mich gezwungen, mich direkt bei neuen Therapeuty zu outen um zu sehen ob es sich lohnt dort zu bleiben. Ich habe
außerdem erlebt, dass mir auf Mails nicht geantwortet wird (ich habe Pronomen und weiterführende Links in meiner Mailsignatur)
oder auf Nachfrage Therapeuty sagen, sie haben da keine Kompetenz und ich solle wen anders suchen. Wobei das mehr auf
nichtbinär/agender bezogen ist. Da mache ich allgemein schlechte Erfahrungen (Misgendering und Deadnaming). In der
Notaufnahme meinte Mal eine Ärztin beim reinkommen meckern zu müssen, dass sie ja auf meine Anrede und Pronomen keine
Rücksicht nehmen könne. Vermutlich hatte sie gesehen, dass in den Daten der Krankenkasse kein Geschlecht hinterlegt war
und relativ neutrale Namen.
Zur Eindordnung des Textes: Delfin ist psychisch krank, chronisch krank und evtl. neurodivergent.
Selene (w, 26) aceGynäkologInnegativ
Diese Story ist inzwischen ein paar Jahre her und damals wusste ich noch nicht, dass ich AroAce bin.
Mit ca. 20/21 bin ich zum ersten Mal zur Gynäkologin gegangen. Ich wollte eine normale Kontrolle machen
(da immer betont wird wie wichtig das ist wegen Gebärmutterhalskrebs usw.). Vor der Untersuchung hatte
ich der Ärztin gesagt, dass ich noch nie Sex hatte. Als sie dann dieses Metall-Teil einführen wollte
(das Kleinste was es gab), habe ich aufgrund der Schmerzen gesagt, sie soll aufhören. Da hat sie nur
genervt das Teil auf den Tisch gescheppert und meinte „Kommen Sie wieder, wenn Sie Sex hatten“. Danach
hat sie genervt den Raum verlassen. Seitdem war ich auch nie wieder beim Gynäkologen, weil ich Angst davor
habe es könnte ähnlich verlaufen (auch wenn ich inzwischen Sex hatte, war das nur einmal). Inzwischen macht
mich diese Erinnerung auch echt sauer. Auch Menschen die kein Sex haben, sollten eine normale Behandlung erhalten!
Maria (w, etwa 30) aceGynäkologInnegativ
Diese Erfahrung wurde in Deutschland gemacht.
Ich bin AroAce. Vielleicht ist das mehr ein Ace-Thema, ich habe mich auch nicht explizit geoutet, aber
find es trotzdem relevant. Ich hatte (über Jodel, ein anonymer, lokaler Online-Chat, Reddit Style) gehört,
dass mensch regelmäßig zur GynäkologIn gehen sollte (irgendwas mit Vorsorge, vielleicht Krebs oder so?).
Ich war zuletzt mit 13 gewesen, da hieß es nur „alles in Ordnung, kannst aber gerne wieder kommen, wenn
mal was ist oder du noch Fragen hast“. Tjaaaa. Ich habe mir also einen Termin bei einer Gynäkologin gemacht.
(Ich mag Arztbesuche eh nicht, aber die Frau von damals war längst in Rente, die Praxis existierte nicht mehr
und überhaupt eine Praxis zu finden, die für neue Patient:innen offen ist, ist nicht so einfach.)
Jedenfalls hatte ich dann meinen Termin. Ich habe gesagt ich bin da wegen irgendwas mit Kontrolle und
Vorsorge. Achso und meine Tage waren manchmal unregelmäßig und ich hatte im letzten Jahr zweimal ungewöhnlich
starke Schmerzen. Jedenfalls eine der ersten Fragen war nach sexueller Aktivität. Hab ich verneint, ich
hatte (noch) nie Sex und auch keinerlei Beziehungen oder irgendetwas, was in die Richtung ging. Jedenfalls
war an der Stelle Ende. „Jungfrauen untersuche ich nicht“ habe ich dann gehört. So nach dem Motto „kommen
Sie wieder, wenn Sie Sex hatten“. Die Gynäkologin sagte dann doch noch sowas wie, dass sie letztens eine
Frau mitte 30 da hatte, die auf eine Untersuchung bestanden hätte, das habe sie dann auch gemacht. Aber es
sei sowieso unnötig, der Abstrich sei sinnlos wenn man (noch) nicht jemals sexuell aktiv war. Ich mag
eigentlich keine Vorurteile fördern, aber der Vollständigkeit halber: die Ärztin hatte einen türkischen
Nachnamen und ich hatte ein bisschen das Gefühl, sie würde es nicht wollen, weil sie dann denkt irgendwie
meine Jungfräulichkeit zu verletzen und sie würde sich damit unwohl fühlen. Das hat sie so nicht gesagt
und vielleicht interpretiere ich zu viel in eine nicht vorhandene Situation aber naja. […]
Um ehrlich zu sein, ich war halt auch unsicher, was genau ich da will (Kontrolle/Vorsorge wofür?) und da die
Ärztin es nicht für nötig hielt und mir ein „Warum sind sie hier?“ vermittelte, fühlte ich mich ziemlich fehl
am Platze. Achso und das andere … Ja könnte auf Endometriose hindeuten, könnte man untersuchen, sei aber
unnötig weil die einzige Behandlungsmethode die Pille sei. Wenn ich die ablehne, dann kann sie eh nix für
mich tun. Ich hatte irgendwann bei den Eingangsfragen gesagt, dass ich die Pille nicht nehme, weil ich halt
keinen Bedarf an Verhütung habe. Ja, Hormone nehmen wäre jetzt nicht unbedingt meine erste Wahl, aber wenn es aus
anderen Gründen sinnvoll wäre, würde ich es evtl. durchaus probieren. Ich habe das dann auch nochmal versucht zu
formulieren, wie gesagt ich war eh schon unsicher und will nicht unbedingt die Pille nehmen, und das mit den
Schmerzen war nur zweimal in einem halben Jahr und schon wieder ein bisschen her. Ich gehe generell selten zum
Arzt, aber letztens, 2–3 Jahre später, hat meine Hausärztin Eisenmangel festgestellt. Also zumindest das hätte
die Gyn halt auch leisten können. Aber ich wollte dann da nur weg und hatte auch keine Kraft/Motivation für
eine neue Arztsuche.
Eine positive Sache vielleicht noch: Ich war Teenager, als die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs raus kam.
Ich habe damals abgewartet, weil sie so neu war, und über 18 war es dann zu spät, dachte ich. Ich habe danach gefragt,
und meine Ärztin meinte, ich könnte bei meiner Krankenkasse anfragen, ob die, da ich bisher keinen Sex hatte,
ausnahmsweise die Kosten übernehmen würden, das hätte wohl auch gute Chancen (ich habe mich dann aber nie drum gekümmert).
anonym aceGynäkologInnegativCN: gyn. UntersuchungCN: explizitCN: KörperverletzungCN: Beleidigungen
Diese Erfahrung wurde in Deutschland gemacht.
Ich will anonym auch von meinem Erlebnis mit einer damaligen Frauenärztin sprechen. Bin nicht sicher, aber ich denke es hat zum
Teil was mit meiner Asexualität zu tun. Damals kannte ich den Begriff Asexualität noch nicht. Ich ging mit 18–19 Jahren hin,
weil ich extrem starke Unterleibsschmerzen, Schwindel und Übelkeit bei meinen Tagen hatte. Bei den ersten Treffen ging es noch,
die Ärztin machte sich nur darüber lustig, dass ich in dem Alter noch keinen Sex hatte, wohl aber seit kurzem den ersten Freund.
Beleidigen tat sie mich auch, was ich aufgrund meiner äußeren Erscheinung aber gewohnt war und hinnahm. Bis zu meinem ersten
Sex waren die Besuche bei ihr nicht schön, aber aushaltbar. Sie machte vorher keine Vaginaluntersuchung. Als ich dann meinen
ersten Sex hatte, den ich vermutlich aufgrund meiner Asexualität als unspektakulär empfand, ging ich wieder zur Untersuchung.
Dieses Mal teilte ich mit, meinen ersten Sex gehabt zu haben.
Dann sollte meine erste Vaginaluntersuchung folgen. Ich saß relativ entspannt auf dem Untersuchungsstuhl, weil der Sex nicht
weh getan hatte. Dann begann die Untersuchung. Der erste, wie auch die folgenden Einführungsversuche, des mir als relativ
unangenehm kalt vorkommenden Geräts, war unglaublich schmerzhaft. So einen Schmerz hatte ich noch nie erlebt. Versteht mich
nicht falsch, ich habe gelernt Schmerzen auszuhalten und wenn ich die Ruhe habe, sie auch weitestgehend weg zu atmen, aber
mir schossen die Tränen aus den Augen. Zunächst gar nicht, weil ich weinen wollte, sondern weil sie einfach einen Nerv reizte,
der das auslöste. Sie versuchte mehrfach in meinen Vaginalkanal reinzukommen, es gelang nicht, nur meine Schmerzen wurden immer
schlimmer. Ich konnte irgendwann ein Zittern nicht mehr verhindern. Das schlimmste waren für mich aber nicht die Schmerzen,
sondern dass sie mich, seit mir die ersten Tränen aus den Augen liefen, anfing während der Untersuchung zu beleidigen und zu
beschimpfen und das die ganze Zeit und auch hinterher nach dem Abbruch, weil sie nicht rein kam in den Kanal, obwohl es das
kleinste Gerät war, wie sie immer wieder vorwurfsvoll betonte, bis ich den Raum verließ. Die ganzen Beleidigungen, und Vorwürfe,
die sie mir an den Kopf warf habe ich nicht vergessen, will die hier aber nicht extra aufführen. Dadurch wurde jedenfalls aus
den tränenden Augen innerhalb kürzester Zeit ein echtes Weinen, was mir bis heute höchst peinlich ist.
Hinterher durfte ich aus irgendeinem mir nicht mehr bekannten Grund die Praxis nicht sofort verlassen und musste noch im vollen
Wartezimmer sitzen, obwohl ich grade keine Menschen mehr in meiner Nähe ertragen konnte. Eine Schwester entschuldigte sich
hinterher noch bei mir und sagte mir, dass sie die Ärztin eben unmöglich fand. Ich bin dann die ca. 15 Kilometer nach Hause
gelaufen und jedem Menschen auf dem Weg weiträumig ausgewichen und stellte zu Hause auch noch fest, das meine Vulva, Hose und
Unterwäsche voller Blut waren. (Und nein: ich hatte nicht meine Tage.) Ich kann seitdem einfach nicht mehr eine Gynäkologische
Praxis betreten, die Erniedrigung und das Erlebnis sitzen mir noch in den Knochen. Ich hoffe Aufklärung über Asexualität hilft
sowas künftig zu verhindern.
Delfin (agender, oft weiblich gelesen, 26) acearoGynäkologInpositiv
Ich habe bei meiner aktuellen Gynäkologin (wo ich tbh nur 2 Mal war, weil es mir unangenehm ist) gute Erfahrungen gemacht.
Sie war respektvoll, hat nur gemacht, womit ich okay war und mir versucht mit meinem Transitionswunsch zu helfen. Das ist zwar
eigentlich einfach nur being a decent human being, aber da das so selten ist, bin ich enorm erleichtert darum. Ansonsten erzähl
ich häufig nicht von meinem Aroace-Sein, mein Agender-Sein kommt viel häufiger zur Sprache. Auch weil ich das Gefühl hab, dass
Aroace-Sein für viele Bereiche weniger relevant ist. Ich wünsche mir vom Gesundheitswesen bei queeren/LGBTQIANP+ Themen endlich
im aktuellen Jahrhundert anzukommen. Meiner Erfahrung zufolge sind Leute im Gesundheitswesen nochmal diskriminierender als in
meinem restlichen Umfeld. Mensch sollte Outings erstmal annehmen und sich weiterbilden, statt Konversionsmaßnahmen zu planen.
Und einfach Mal die Orientierungen und Identitäten von Menschen respektieren und akzeptieren.
Zur Eindordnung des Textes: Delfin ist psychisch krank, chronisch krank und evtl. neurodivergent.
anonym (w, mitte 20) aceGynäkologInneutral
Diese Erfahrung wurde in Deutschland gemacht.
Ist jetzt eher nicht so spannend. Ich wurde von meinem Gynäkologen gefragt, ob ich Beschwerden
beim Sex hätte (etwa ein Jahr nach meiner Hysterektomie). Ich habe irgendwas in Richtung „keine
Ahnung“ geantwortet und er hat nie wieder nachgefragt.
Mika (genderqueer, im Gesundheitskontext <Frau>, 21) unklarPsychotherapie/Beratungnegativ
Bei der Kinder- und Jugendtherapeutin, bei der ich um die Abiturzeit war, habe ich erzählt, dass ich in einer Jugendgruppe bin,
auf Nachfrage habe ich die Gruppe genannt und die Therapeutin kannte die Gruppe als queere Gruppe. Sie hat mich dann gefragt,
wie ich mich da wiederfinde und ich meinte ich sei bi, weil sich das am unverfänglichsten angefühlt hat. (Ich weiß nicht mehr,
was meine tatsächlichen Label zu dem Zeitpunkt waren.) Sie meinte dann, dass das eine überraschende Wendung sei. Das finde
ich eine sehr unangenehme Sicht auf Queerness, der ich hoffe, nicht nochmal zu begegnen. Zu der Zeit war ich 17±1 Jahre alt.
Zur Eindordnung des Textes: Mika ist neurodivergent.
Mika (genderqueer, im Gesundheitskontext <Frau>, 21) unklarGynäkologInpositivCN: gyn. Untersuchung
Das erste Mal bei einer Gynäkologin zu sein hatte ich mir schlimmer vorgestellt, war dann aber voll ok.
Der Termin fing mit einem Gespräch an, dann wurde ich gefragt, ob körperliche Untersuchungen (Brust-
und Vaginaluntersuchung) direkt gemacht werden sollen oder lieber an einem anderen Termin. Ich habe mich
dann für direkt entschieden. Ich glaube Sex wurde gar nicht angesprochen, ich wurde nur wegen der
Vaginaluntersuchung gefragt, ob ich schonmal etwas eingeführt hätte. Das hat das Thema sexuelle Orientierung
komplett umgangen, das fand ich sehr angenehm. Leicht negativ fand ich den großen Fokus auf der Pille als
Lösung von Periodenschmerzen, aber mir wurde auch zumindest eine Alternative vorgeschlagen.
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